“Wo du wolle”? Als Taxi unterwegs mit den irischen “Flodders”…

Falls du schon mal in Irland gewesen bist wird dir eines aufgefallen sein. Es gibt zahlreiche Pubs.

Aber nicht nur Public Houses sind für mich der Ursprung der irischen Geselligkeit, sondern auch Coffee Houses. Es gibt mittlerweile fast ebensoviele gemütliche Kaffees wie Trinkstuben.

Als Liebhaber des schwarzen Gebräues und damit meine ich Ausnahmsweise nicht den “Black Stuff”, steure ich ab und zu so ein Kaffeehaus an.

Nach getaner Arbeit ist manchmal Zeit dafür.

Nachdem ich an diesem ausgesprochenen regnerischen Tag meinen silbernen Nissan durch den stockenden Verkehr der engen Gassen Bandons manövriert habe beginnt das Rennen um einen Parkplatz.

Heute ist mein Glückstag

Ich finde auf Anhieb eine Lücke zwischen zwei Autos. Erst noch praktisch vis-a-vis meines Lieblingskaffees.

In Gedanken rieche ich schon den Duft von herrlichem Cappuccino in meiner Nase als ich aus dem Augenwinkel heraus einen Mann auf mein Auto zusteuern sehe.

Er kommt von der anderen Strassenseite rüber und klopft an mein Seitenfenster. Oh ha, denke ich. Ob man hier nicht parkieren darf? Wobei dieser Gedanke eigentlich grundlegend falsch ist.

In Irland darf man praktisch überall parkieren. Ausser auf doppelt ausgezogenen, dicken gelben Linien.

Der Typ im blauen Trainer fragt in starkem Cork Akzent ob er eine Frage stellen dürfe? Ja, schiess mal los.

Ich verstehe kein Wort. Ums parkieren gehts definitiv nicht. Ums Auto schon. Das er es kaufen will scheint mir ausgeschlossen. Er sieht sagen wir mal nicht gerade Liquide aus.

Er wiederholt seine Frage. Nun verstehe ich was er will. Er möchte wohin gefahren werden. Gleich in der Nähe.

Aber er hat ein paar Sachen dabei und ein Taxi kann er sich nicht leisten. Sowieso ist gerade jemand gestorben. Ob ich nicht zur Ehre dieser Person ihn dorthin fahren könnte?

Ach. Man ist ja hilfsbereit. Sind die Iren ja schliesslich auch immer.

Ausserdem ist ja bald Weihnachten und meine gute Tat habe ich heute noch nicht vollbracht. Höchste Zeit dazu. Ich stimme zu. Um es sogleich ein klein wenig zu bereuen.

Eine Blaumeise, zwei füllige Personen und zwei Kisten Bier

Kleinen Moment. Spricht der blaue Trainer und macht auf dem Absatz kehrt. Sekunden später steht er mit zwei älteren Herrschaften neben meinem Auto.

Schleppend sind die Beiden über die Strasse gestolpert. Im Arm je eine grosse Kiste Bier…

Noch bevor ich Hallo sagen kann, fliegt meine Kofferraum auf und das Bier wird sorgsam verstaut.

Selbiges passiert mit Mary und Paddy wie wir sie mal nennen. Sie bugsieren ihre nicht unerheblich voluminösen Körper auf die Rückbank.

Blaumeise setzt sich auf den Beifahrersitz um den Co-Piloten zu mimen. Das er nicht selber fährt ist auch gut. Bei der Fahne…

In der Hand hält er mittlerweile eine offene Petflasche. Inhalt wohl ein selbstgemixtes alkoholisches Getränk.

Miraculix Zaubertrank ist es definitiv nicht.

So werde ich durch den Abendverkehr etwas abseits des Dorfzentrums dirigiert. Natürlich werden dabei Fragen gestellt. Wie und wo ich arbeite? Wo ich wohne und sowieso woher ich überhaupt komme.

Zwei Jahre Irland haben mich gelernt zu antworten wie die Iren auch. Ausweichend und unpräzise.

Ich arbeite in Cork City.

Wohne etwas ausserhalb von Bandon. Oben in den Hügeln.

Das ich Schweizer bin verheimliche ich nicht. Worauf es prompt aus dem Fond des Wagens schallt:

“Oooh, Switzerland. I was never there. But they have the Swiss Alps, lot of Cheese and Zurich”.

Danke, Paddy. Mit den üblichen Schweizerklischees sind wir durch und wir widmen uns wichtigen Themen zu.

Wie dem Wetter.

Als wir eine Kirche passieren bekreuzigt sich der blaue Trainer artig und murmelt “God Bless, Victoria.” Dabei scheint es sich um die Frau zu handeln, welche verstorben ist.

Ob das ganze der Wahrheit entspricht oder ins Reich der Märchen gehört vermag ich nicht zu beurteilen.

Um zum Ziel zu kommen wird Fremden oder Unwissenden schon mal ein Bär (besser gesagt ein Leprechuan) aufgebunden. Es muss nicht immer alles 100% der Wahrheit entsprechen was dir im Gespräch so erzählt wird.

Kurze Zeit später erreichen wir auch schon unser Ziel.

zu Bono’s Villa fahren wir definitiv nicht…

Einen kurz vor dem Verfall stehenden Bungalow. Rund ums Haus nur Dreck, Unrat und Gerümpel.

Gut. Ich habe nicht erwartet, dass wir zu einer 8 Millionen Euro Villa fahren.

Auch Trinkgeld habe ich keins erwartet. Meine neuen Freunde belassen es bei einem kurzen “Thanks”. Ich solle noch warten, wegen dem Bier im Kofferraum instruiert mich Blaumeise.

Die beiden Alten auf dem Rücksitz sind schon längst behende aus dem Auto gehüpft, haben sich ihr Bier geschnappt und sind schon auf dem halben Weg ins Haus.

Ich navigiere meinen Wagen vom Feldweg zurück auf die Hauptstrasse.

Meinen Cappuccino habe ich mir redlich verdient.

Iren und der Alkohol…

Eine kleine, witzige Episode. Aber sie hat einen tragischen Hintergrund. Nicht explizit wegen dieser Leute.

 

Doch viele Iren haben ein massives Alkoholproblem…

Es mag lustig sein, wenn Iren in der ganzen Welt als feierwütig, trinkfreudig und gesellig gelten. Das ist auch alles gut und recht.

Viele arbeiten hier hart. Trinken ihr Feierabend-Bier und am Wochenende ein paar Einheiten an Alkohol. Auch das ist kein Problem.

Leider aber gibt es auch viele, welche ihre Probleme in Alkohol ertränken. Dies ist eine Seite der irischen Gesellschaft, welche du als Tourist nicht mitbekommst. Massiver Alkoholmissbrauch, Arbeits- und Perspektivelosigkeit. Viele Menschen mit diesen Problemen haben nicht mal mehr ein Dach über dem Kopf.

Dies sind dann diejenigen, welche ganz unten gelandet sind. Viele Umstände können dazu führen. Oftmals sind diese Leute auch nicht durch eigenes Verschulden derart tief gesunken. Wenn überhaupt. Hier unterstützt leider der Staat nicht viel. Es sind private Organisationen, welche sich um diese Menschen kümmern.

Was mich persönlich hier nervt sind die Schmarotzer. Ja, auch in Irland gibt es die. Leute die nicht arbeiten (wollen), dafür das Sozialsystem melken wo es nur geht. Du würdest staunen mit welchem Fachwissen diese Personen aufwarten, wenn es darum geht von den Sozialwerken zu profitieren. Jeder Cent wird aus dem Goldenen Kalb mit dem Namen “Staat” ausgepresst.

Dafür nimmt man es mit Miete bezahlen nicht so genau oder schnorrt und bescheisst sich sonst durchs Leben. Geld für Alkoholika ist dabei immer da…

Die Leute, welche ich an diesem Tag chauffiert habe, gehören zu dieser Spezialgattung.

Rant over.

Ich wollte dir kurz aufzeigen, dass nicht alles in Irland himmelhochjauchzend ist. Dieses Land hat mit vielen Problemen zu kämpfen.

Und doch ist es schön hier zu sein. Die positiven Seiten des Lebens überwiegen bei Weitem.

 

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